Dienstag, 20. Oktober 2015

Die Künstlerfamilie Bordalo Pinheiro


Vor einpaar Tagen fragte mich eine deutsche Urlauberin, ob ich ihr die Adresse der Deutschen Evangelischen Kirche in Lissabon nennen könne. Sie wollte gerne am sonntäglichen Gottesdienst teilnehmen.
Also habe ich ihr die Adresse aufgeschrieben:

Deutsche Evangelische Kirche Lissabon – DEKL
Avenida Columbano Bordalo Pinheiro n° 48
1070-064 Lisboa

Sie schaute sich die Adresse an und fragte mich dann ob Columbano vielleicht die portugiesische Version des Namens Kolumbus sei.
Ich erklärte ihr daraufhin das, obwohl die Namen ähnlich klingen, sie wahrlich nichts, aber auch gar nichts, miteinander zu tun haben.
Der eine – Columbano – war ein portugiesischer Maler des Realismus, der von 1857 bis 1929 gelebt hat, und der einer der größten und talentiertesten bildenden Künstler Portugals des frühen 20. Jahrh. war.
Der andere – Kolumbus (port.: Colombo) – hat angeblich Amerika entdeckt.

In der Familie Bordalo Pinheiro waren eigentlich alle künstlerisch begabt.
Der Vater Manuel Maria Bordalo Pinheiro, geboren im Jahre 1815, war mit Maria Augusta do Ó Carvalho Prostes, der Mutter seiner Kinder, verheiratet.
Er war ein kleiner Beamter, der nach den vielen Stunden im Büro zahllose Genrebilder malte, Bücher illustrierte und auch Büsten modellierte. Eines seiner schönsten Werke, eine Camões-Büste, steht heute noch in der ehemaligen portugiesischen Kolonie und heutigen chinesischen Metropole Macau.

Auch die Tochter Maria Augusta Bordalo Pinheiro, die zwischen 1841 und 1915 gelebt hat, malte. Am liebsten verewigte sie farbenfrohe Herbstblumen auf Leinwände.
Außerdem entwickelte sie sich zur Expertin für Spitzenklöppelei, der sie in Peniche, einem Städtchen etwa 100 km nördlich von Lissabon, zu einem neuen Aufschwung verhalf, als sie dort an der Gewerbeschule unterrichtete. Später wurde sie an dieser Schule Direktorin.
Für ihren Bruder Rafael arbeitete Maria Augusta ab und zu als Porzellanmalerin.

Rafael Bordalo Pinheiro war der originellste unter allen Geschwistern. Er war u. a. Zeichner, Aquarellist, Illustrator, Dekorateur, Theaterschauspieler, Journalist, Politiker und Keramiker.
Im Jahre 1846 geboren, begann Rafael Bordalo Pinheiro im Jahre 1870, nach einem Studium an der Lissabonner Kunstakademie, eine berufliche Laufbahn als Karikaturist. 1875 erschuf er die populäre Figur des „Zé Povinho“, des kleinen Mannes, der immer der Dumme ist, und seiner Frau „Maria da Paciência“, der ewig geduldigen Maria.
Im gleichen Jahr ging er nach Brasilien, wo er in Rio de Janeiro bis 1879 bei verschiedenen Zeitungen Karikaturen zeichnete.
Nach seiner Rückkehr nach Portugal fing er an, sich für Keramik zu interessieren.
Nach ersten töpferischen Versuchen gründete er 1884 seine eigene Manufaktur in der Thermalstadt Caldas da Rainha, wo er mit oft überschwänglicher Phantasie Azulejos, Vasen, Tafelaufsätze, Geschirr und Tonfiguren entwarf.
Unbekümmert griff er die verschiedensten Einflüsse auf – von der arabischen Kunst über den Manuelismus, die Renaissance, das Rokoko bis zum Jugendstil – oder er nutzte seine eigene karikaturistische Dynamik.
Das von ihm entworfene Gebrauchsgeschirr fand damals jedoch nicht den rechten Absatz; es sprang zu leicht und nahm Gerüche an, so das Rafaels Firma „Fabrica de Faianças“ um 1890 erstmals in finanziellen Schwierigkeiten geriet – ein Zustand, der sich bis zu seinem Tod im Jahre 1905 nicht mehr änderte.
Heute sind seine Kreationen dafür umso beliebter, ablesbar z. B. an dem auf einen Entwurf Rafaels zurückgehenden Kohlblättergeschirr, das man heute praktisch in jedem portugiesischen Porzellangeschäft käuflich erwerben kann.
Im Museu Rafael Bordalo Pinheiro im Lissabonner Stadtteil Campo Grande, dem ehemaligen Wohnsitz des populären Karikaturisten und Töpfers, kann man etwa 500 Keramiken und zahlreiche Karikaturen des phantasiereichen Gestalters bewundern, die einen Querschnitt seiner Arbeiten zeigen.

Ein weiteres Mitglied der Künstlerfamilie war Tomás Bordalo Pinheiro.
Tomás studierte von 1879 bis 1823 am renommierten Lissabonner Institut für Industrie und Gewerbe (port.: Instituto Industrial e Comercial de Lisboa) und schloss sein Studium als Technischer Zeichner ab.
Nachdem er die ersten Berufsjahre als Technischer Zeichner bei verschiedenen Industrieunternehmen tätig war, u. a. in der damals königlichen staatlichen Kanonengießerei, gründete er im Jahre 1893 sein eigenes Unternehmen, die Firma „Progresso Mecânico“, wo er ziemlich erfolgreich verschiedene Eisen- und Messingaccessoire, w. z. B. Haken, Stifte und Spangen für Haare, Bärte und Damenkorsetts, entwarf und produzierte.
Er schrieb mehrere Bücher und Nachschlagewerke über die Industrie und verschiedene Leitfäden und Lehrbücher über die damals aufkommenden Industrieberufe.
Seine wichtigste literarische Publikation war aber eine Zeichentrickserie mit dem Titel „O gafanhoto“, das Tomás Bordalo Pinheiro mit dem Chronisten und Historiker Henrique de Mendonça herausbrachte.
Die Zeitschrift „O gafanhoto“ erschien von 1903 bis 1910 und war das erste Comic das in Portugal publiziert wurde.

Der vierte und jüngste Bruder war schließlich der schon erwähnte Columbano Bordalo Pinheiro.
Im Jahre 1857 geboren, gilt Columbano, der seinen Vornamen einem irischen Heiligen verdankt und nicht Kolumbus, als bedeutendster portugiesischer Maler des späten 19. Jahrh. und als hervorragender Porträtist.
Er ging zunächst beim Vater in die Lehre, bewarb sich dann zweimal umsonst erfolglos um ein Stipendium an der renommierten Kunsthochschule von Paris, bis ihn schließlich der Witwer von Königin Maria II, Ferdinand von Sachsen-Coburg-Gotha, 1881 den Studienaufenthalt in der französischen Hauptstadt aus eigener Tasche finanzierte.
Er vervollkommnte in seiner Zeit in Frankreich seine Maltechnik und vor allem Manet und Edgar Degas beeinflussten ihn künstlerisch sehr.
Von 1900 bis 1924 unterrichtete er an der Lissabonner Kunstakademie und war schließlich bis zu seinem Tod im November des Jahres 1929 Direktor des Museu Nacional de Arte Contemporânia (dt.: Museum für Zeitgenössische Kunst), das wichtige Werke von ihm besitzt.

Heute ist nach Columbano Bordalho Pinheiro eine wichtige Arterie der portugiesischen Hauptstadt – an der wie gesagt sich u. a. die Deutsche Evangelische Kirche befindet – benannt.

Montag, 5. Oktober 2015

Open House Lisboa 2015


Am kommenden Wochenende, dem 10. und 11. Oktober 2015, findet hier in der portugiesischen Hauptstadt zum vierten Mal die „Open House Lisboa“ statt, die von der Architektenvereinigung „Trienal de Arquitectura“ organisiert wird.

„Open House Lisboa“ ist ein Event bei dem jeder Architekturfreund die Möglichkeit hat bekannte und architektonisch wertvolle Bauwerke in Lissabon zu besuchen und „hinter die Fassade“ zu schauen, die normalerweise das ganze Jahr für die allgemeine Öffentlichkeit geschlossen sind, wie z. B. das beeindruckende Gebäude der portugiesischen Zentralbank (port.: Banco de Portugal), die imposante Tejobrücke Ponte 25 de Abril, das auf der Welt einzigartige Kachelmuseum (port.: Museu Nacional do Azulejo) oder der historische Palácio de Santos, ein Stadtpalast der einstmals von König Manuel I bewohnt wurde und in dem heute die französische Botschaft untergebracht ist.
Vor drei Jahren, beim damaligen „Open House Lisboa“, habe ich u. a. die Möglichkeit wahrgenommen und diesen wunderschönen Palast besucht, der aus Sicherheitsgründen fast immer für die Allgemeinheit geschlossen ist. Ich war begeistert und ich kann jedem nur empfehlen das diesjährige „Open House Lisboa“ dazu zu nutzen es mir gleich zu tun.
Es lohnt sich wirklich!

Dieses Jahr bietet das „Open House Lisboa“ drei Arten von Besuchen in den verschiedenen Objekten an:
Einige Gebäude und Bauwerke können ohne Anmeldung besucht werden, andere werden durch die Mithilfe von Volunteers zu besichtigen sein und in wiederum anderen werden fachkundige Architekten die Führung durch die einzelnen Gebäude führen.
Eines haben aber alle drei Arten von Besuch gemeinsam:
Sie sind alle kostenlos!

Die meisten Gebäude und Bauwerke werden, sobald sich kleine Gruppen zusammengefunden haben, sofort zu besichtigen sein.
Bei anderen wiederum, so weiß ich aus Erfahrung, werden sie eine Wartezeit in Kauf nehmen müssen.
Generell gilt hier das Motto: „first come, first serve“.

Hier eine Liste der über 70 Wohnhäuser, Gebäude und Bauwerke die am kommenden Wochenende beim „Open House Lisboa“ zu besichtigen sein werden:

- Banco de Portugal (dt.: Bank von Portugal)

- Biblioteca Nacional de Portugal (dt.: Portugiesische Nationalbibliothek)

- Centro Cultural de Belém (dt.: Kulturzentrum von Belem)

- Estação do Rossio (dt.: Bahnhof von Rossio)

- Fundação Gulbenkian (dt.: Gulbenkian-Stiftung)

- Museu Nacional do Azulejo (dt.: Nationales Kachelmuseum)

- Padrão dos Descobrimentos (dt.: Entdeckerdenkmal)

- Palácio da Ajuda (dt.: Königspalast Ajuda)

- Palácio de Santos (dt.: Santos-Palast / Botschaft von Frankreich)

- Ponte 25 de Abril (dt.: Tejobrücke Ponte 25 de Abril)

- Supremo Tribunal de Justiça (dt.: Höchste Gericht)

- Teatro Nacional de São Carlos (dt.: Nationaltheater São Carlos / Oper)