Donnerstag, 29. Mai 2014

Was dem einen der Vatertag, ist dem anderen der Kornährentag


Heute wurde ich von meiner guten Freundin Anke, die erst seit wenigen Monaten hier in Lissabon lebt, gefragt, warum ihr heute Morgen auf dem Weg zur Arbeit, an verschiedenen Ecken, und sogar am Eingang zur Metro, Sträuße mit Kornblumen zum Kauf angeboten wurden.
Nun, ich habe ihr dann erklärt, dass das mit dem heutigen Feiertag Christi Himmelfahrt zu tun hat.

Genau vierzig Tage nach Ostersonntag feiert die christliche Welt Christi Himmelfahrt, ein Tag der hier in Portugal den offiziellen Namen „Dia da Ascensão de Jesus“ trägt.
Während dieser Tag in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag ist, wird er hier in Portugal nur in bestimmten Gemeinden des Landes gefeiert, so z.B. in Alenquer, Almeirim, Mafra, Vila Franca de Xira, Beja, Monchique oder Loulé – nur um einige zu nennen.

Christi Himmelfahrt ist heutzutage in Deutschland eher unter dem Namen „Vatertag“ bekannt und hier in Portugal kennt jeder diesen Feiertag eher unter dem Namen „Dia da espiga“ (dt.: „Kornährentag“) oder „Quinta-feira de espiga“ dt.: Kornährendonnerstag“).
Welchen Beinamen dieser religiöse Feiertag in anderen Ländern trägt, ist mir nicht bekannt, aber wieso Christi Himmelfahrt in Deutschland „Vatertag“ genannt wird und hier in Portugal „Kornährentag“ (port.: „Dia da espiga“), das will ich hier versuchen zu erklären.

Während die Feier der Himmelfahrt Christi in den Anfängen des Christentums überall mit dem Pfingstfest verbunden war, entwickelte sich ab dem 4. Jahrhundert dann das eigene Fest Christi Himmelfahrt.
Die Gläubigen begingen früher diesen religiösen Tag traditionell mit vielen Prozessionen außerhalb der Stadt, und so gingen sie raus auf die Felder und beteten für gute, ertragreiche Ernten.
Wie bei jeder Prozession wurde damals wie heute gut gefeiert, viel gegessen und noch mehr getrunken, und zwar mancherorts so heftig, das die Umzüge in wahre Trinkgelage ausarteten.

Während hier im Süden Europas die katholische Kirche streng über ihre Schäfchen zu wachen versuchte, so dass diese beim Feiern nicht allzu sehr über die Strenge schlugen, entwickelten sich an diesem Tag seit dem 18. Jahrhundert in manchen Ländern im Norden Europas vielerorts organisierte Ausflüge aufs Land, an dem nur Männer teilnahmen – der Vatertag war geboren.

Hier in Portugal wird Christi Himmelfahrt, wie schon erwähnt, in Anlehnung an die traditionellen Ernteprozessionen die an diesem Tag vielerorts stattfinden, „Dia da espiga“ (dt.: „Kornährentag“) genannt.
Wer es sich zeitlich leisten kann – dieser Tag ist wie gesagt kein Feiertag hier in Portugal – geht an diesem Tag raus in die Natur, pflückt verschiedene Kornähren, Feldblumen, wilden Rosmarin und Olivenzweige und bindet diese dann zu einem Strauss zusammen.

Solch ein „Ramo de espiga“ (dt.:„Kornährenstrauß“) besteht traditionell aus folgenden Blumen und Ähren und jede für sich hat eine bestimmte Symbolik:

- die Kornähre (port.: espiga) steht für das tägliche Brot das niemals auf dem Tisch fehlen sollte
- der Olivenzweig (port.: ramo de oliveira) symbolisiert den Frieden und steht gleichzeitig für das teure, viel geschätzte Olivenöl
- die weiß-gelbe Margarite (port.: malmequer) steht für Gold und Silber aber auch für den Frieden
- der rote Klatschmohn (port.: papoila) steht sinnbildlich für die Liebe und das Leben
- die Weinrebe (port.: videira) steht für Wein und Freude
- letztendlich der Rosmarin (port.: alecrim), der Gesundheit und Kraft symbolisiert

Wer nicht dazukommt sich den Strauß selber zu pflücken, der findet, wie meine Freundin Anke, an diesem Tag an jeder Ecke jemanden der einen Strauß Feldblumen und Kornähren zum Verkauf feilbietet.
Dieser Strauss wird dann daheim aufgehängt, am besten an die Innenseite der Eingangstür, und er soll dem Glauben nach, dem Heim Gesundheit, Reichtum, Glück und Segen bringen.
Der Volksmund sagt, dass dieser Strauß dann erst im nächsten Jahr durch einen neuen ersetzt werden kann.
Dies wäre, dem Kalender nach, nächstes Jahr am 14. Mai 2015.

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