Donnerstag, 27. März 2014

Der königliche Palast von Queluz


Westlich der Stadtgrenze von Lissabon beginnen die Schlafstädte der Hauptstadt. Gleich hinter dem riesigen Lissabonner Stadtpark Monsanto liegen u. a. Amadora, Brandoa, Alfragide, Cacém und Queluz.
Diese Satellitenstädte bestehen zumeist aus gigantischen Hochhaussiedlungen mit hellen, modernen und sachlichen Bauten die tagsüber wie ausgestorben sind; nur morgens und abends finden Auszug und Heimkehr auf völlig verstopften Straßen statt.

Der Vorort Queluz hat schätzungsweise 80.000 Einwohner und verdankt seinen Ruhm und Bedeutung einzig und alleine dem reizvollen ehemaligem Sommersitz der portugiesischen Könige aus dem Hause Bragança, dem königlichen Nationalpalast von Queluz (port.: Palácio Nacional de Queluz), der nur 15 km von Lissabons Zentrum entfernt liegt.
Viele behaupten der Ort Queluz verdankt seinen Namen diesem kapriziösen Rokokoschloss, der einstmals für seine rauschenden Feste und Bälle, seine strahlenden venezianischen Kristalllüster, den goldbemalten Stuck und den Widerschein im Geschmeide der Damen von damals bekannt war. Deshalb glauben viele die Herkunft des Namens würde sich von den portugiesischen Worten „que luz“ ableiten, was im Deutschen soviel wie „welch ein Licht“ oder „welch ein Glanz“ übersetzen lässt.
Aber Queluz ist älter als der Palast gleichen Namens, viel älter!
Schon die arabischen Mauren siedelten hier und nannten den Ort einstmals „Qu al-Luz“, was im Deutschen mit „Tal der Mandelbäume“ zu übersetzen ist.

Wie auch immer:
Queluz wäre ohne seine Rokokopalastanlage, eine der größten in Europa, nichts weiter als eines der vielen unansehnlichen Trabantenstädte Lissabons!

Der Palast von Queluz geht auf Infante D. Pedro zurück, den zweiten Sohn von König João V und späteren Prinzgemahl Pedro III, der wie alle Bragançakönige für seine Bau- und Sinnfreudigkeit bekannt war.
1747 beauftragte Infante Pedro den Architekten Mateus Vicente de Oliveira mit dem Umbau des alten Landhauses Quinta de Queluz.
Dieses Landhaus gehörte dem pro-spanischen Adligen Manuel de Moura Corte Real, der den Titel eines Marques de Castelo Rodrigo trug.
Nachdem der Marques de Castelo Rodrigo Verrat an Portugal begangen hatte und Portugal im Jahre 1640 wieder von Spanien unabhängig wurde, beschlagnahmte die portugiesische Krone sein ganzes Vermögen und Eigentum. Und so kam im Jahre 1654 das erwähnte Landhaus in Queluz in den Besitz der Familie Bragança.

Mateus Vicente de Oliveira entwarf in der Tradition des portugiesischen Rokokos einen dreiflügligen Palast in U-Form, der die Schauseite dem Garten und nicht, wie damals in Europa eigentlich üblich, der ihm gleichgültigen Außenwelt zuwendete.
Acht Jahre lang wurde an dieser Sommerresidenz der Braganças geplant und gebaut, bis am 01. November 1755 ein gewaltiges Erdbeben das nahe Lissabon in Schutt und Asche legte, und an einem Weiterbau des Palastes erst einmal nicht mehr zu denken war.
Für den Wiederaufbau Lissabons spannte damals der Marques de Pombal, seines Zeichens Premierminister des Königreiches, alle namhaften Architekten des Landes ein, unter ihnen auch Mateus Vicente de Oliveira, den Architekten von Queluz.
Erst drei Jahre nach dem Erdbeben, 1758, wurden die Arbeiten an dem Palast, unter der Leitung des französischen Architekten Jean-Baptiste Robillion, dessen Rokoko-Geschmack nicht in Pombals Aufbauprogramm für Lissabon passte, wieder aufgenommen.

Der gelernte Graveur und Dekorateur aus Paris entwarf die monumentale Löwentreppe und die klassizistische Westfassade, die vage Erinnerungen an Versailles wachruft.
Bis zu seinem Tod im Jahre 1782 arbeitet Jean-Baptiste Robillion mit seinem Team französischer Handwerker an der leichten, heiteren Rokokoausstattung der Innenräume.
Den Garten, eine Hauptattraktion des Palastes, gestaltete er im Stil des französischen Gartenarchitekten André Le Nôtre, wobei an Vasen und Büsten aus italienischem Marmor, an mythologischen und allegorischen Bleistatuen aus England und natürlich an Azulejos aus dem heimatlichen Portugal nicht gespart wurde.
Die Wasserspiele, die Grotten und das 115 m lange, mit Azulejos prachtvoll ausgekleidete Wasserbassin Ribeira do Jamor, machen den Park zu einer Zauberwelt und zum wohl schönsten Rokokogarten Portugals (lesen sie hierzu auch meinen Blogeintrag „Die Wasserfontainen im Schlosspark von Queluz“, vom 17. November 2010).

Auf der anderen Seite des Palastes befindet sich ein großer Schlossplatz (port.: Largo do Palácio), in dessen Mitte ein Denkmal für Königin Maria I, der Gemahlin von Pedro III, steht.
Die Tochter des „Erdbebenkönigs“ José I und der Königin Maria Anna Victoria von Bourbon liebte Queluz von allen Braganças am meisten.
Maria I hatte vor einer misslungenen Verlobung mit dem französischen König Louis XV einige Zeit in Versailles verbracht. Dort lernte sie den französischen Geschmack lieben und brachte ihn dann später nach Portugal mit.
Die Königin liebte Queluz wegen seines Lichts, seiner Schönheit und seiner Weite. Doch während Maria I die Helligkeit um sich sammelte, verdüsterte sich ihr Geist zusehends.
Bei ihrer Flucht vor den Truppen Napoleons im Jahre 1808 nach Brasilien war sie schon schwer demenzkrank. Sie starb im Exil in Rio de Janeiro im Jahre 1816, in völliger geistiger Umnachtung versunken, als eine unglückliche Wahnsinnige, die ihr geliebtes Queluz leider nie wieder sehen sollte.

Heute gilt der Palast von Queluz zweifelsohne als eines der Symbole der portugiesischen Geschichte. Er verkörpert den höfischen Geschmack, der sich bis in unsere heutige Zeit hinübergerettet hat.
Seine prunkvollen Innenräume sind bewundernswert.

Aus all den azulejos- und freskogeschmückten Sälen, aus all dem Florentiner Marmor, dem brasilianischen Jacarandaholz, den wertvollen Empire- und Chippendalemöbeln und farbintensiven Wandteppichen aus Arreiolos ragt der Thronsaal (port.: Sala do Trono) heraus.
Er prunkt in Weiß und goldgemaltem Stuck. Prachtvolle venezianische Kristalllüster hängen von der Decke, riesige Spiegel schmücken die Wände und zwei, unter einem Baldachin stehende Thronsessel, beherrschen diesen wunderbaren Raum.

Aber auch andere Säle und Zimmer sind prunkvoll ausgestattet, wie etwa das Musikzimmer (port.: Sala da Musica), das große Esszimmer (port.: Sala de Jantar), das Zimmer der Botschafter (port.: Sala dos Embaixadores) und das Pavillon Robillion (port.: Pavilhão de Robillion), indem heute Staatsgäste übernachten. 
In einem Seitenflügel des Palastes liegt die Cozinha Velha. Die Alte Küche ist riesig, ihre Balken werden von Säulen getragen, glänzende Kupferkessel stehen über offenen Feuerstellen. Die Speisen der Könige wurden auf einem zehn Meter langen Marmortisch zubereitet.
Noch heute ist dieser riesige Marmortisch in Gebrauch, denn seit Jahren ist in der „Cozinha Velha“ ein luxuriöses Restaurant untergebracht.

Zwei Zimmer möchte ich hier im Palácio de Queluz ganz besonders hervorheben:
das eine ist das Don-Quijote-Zimmer (port.: Quarto Dom Quixote), das mit wunderschönen Gemälden aus dem Leben des Helden von Cervantes ausgestattet ist. In diesem kleinen Zimmer wurde 1798 der spätere König von Portugal und Kaiser von Brasilien, Pedro IV, geboren und in diesem selben Zimmer starb er 36 Jahre später.
Das zweite Zimmer, das ich hier gerne erwähnen möchte ist das „Zimmer der verlorenen Schritte“ (port.: Sala dos passos perdidos). Eine der Säle von Queluz heißt wirklich so. Er hat heute keinerlei Funktion und wahrscheinlich hatte er nie eine; jedenfalls ist keine bekannt. Das ist aber auch kein Wunder, denn der Palast ist so weitläufig, das 150 Jahre als königliches Zuhause nicht ausgereicht haben, um ihn bis in den letzten Winkel zu beleben!

Es berührt seltsam sich vorzustellen, dass hier einmal Königin Maria I mit ihrem Prinzgemahl Pedro III lebten, die nicht nur Eheleute waren, sondern auch gleichzeitig Nichte und Onkel.
Oder die abgrundtief hässliche und bösartige Königin Carlota Joaquina, die mit ihrem etwas plumpen König João IV alles andere als eine glückliche Ehe führte.
Oder Leopoldine von Österreich mit Pedro IV, der gleichzeitig König von Portugal und Kaiser von Brasilien war, und der so ein Schürzenjäger war, das er seine Frau nach Strich und Faden betrog.
So gesehen, bekommt der Palácio de Queluz im Lichte der Geschichte einen traurigen Rahmen.
Weder starke Herrscher noch glückliche Staatsmänner haben hier je gewohnt. Allenfalls prunksüchtige, verderbte und schwache.

Heutzutage wohnen keine gekrönten Häupter mehr hier, aber dann und wann wird der Palast aus seinem Dornröschenschlaf geweckt, und ist dann der Ort, an dem der portugiesische Staatspräsident oftmals seine offiziellen Staatsempfänge und Staatsbanketts abhält. 
Um den Palast zu besuchen, muss man aber nicht zu solch einem Empfang oder Bankett eingeladen sein.
Es reicht wenn man sich an der Kasse eine Eintrittskarte für den Palast und seinen wunderschönen Park holt und dann genug Zeit mitbringt um diesen wahrlich königlichen Ort zu bewundern und zu genießen!

Es ist einfach herrlich!

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