Sonntag, 15. Dezember 2013

500 Jahre Bairro Alto


Jede größere Stadt auf der Welt hat ihr klassisches Vergnügungsviertel oder ihre Vergnügungsmeile, wo an jedem Abend und vor allem an den Wochenenden,  das Leben pulsiert und die meisten Nachtschwärmer auf ihre Kosten kommen.

Auch Lissabon hat solch ein Viertel – den  Bairro Alto (dt.: oberes Viertel).
Dieses Viertel hat tagsüber eine recht ruhige und idyllische Atmosphäre, wo eine nachbarschaftliche Gemeinschaft großgeschrieben wird.
Aber jede Nacht verwandelt sich das Bairro Alto, mit all seinen urigen Bars, schicken Clubs, flippigen Szenelokalen, traditionellen Restaurants und hippen Diskotheken in ein El Dorado für Nachtschwärmer.

Am heutigen 15. Dezember feiert dieses, auch im Ausland, berühmte Lissabonner Stadtviertel, seinen 500. Geburtstag!

Wer heute durch die engen Gassen des Bairro Alto geht, der kann sich nur schwer vorstellen, wie es hier vor 500 Jahren ausgesehen hat, bzw. wie sehr sich diese Gegend hier in den letzten fünf Jahrhunderten verändert hat.

Vor 500 Jahren gab es hier auf dieser Anhöhe über der Altstadt von Lissabon nur Felder und Wiesen. Hier wurde Landwirtschaft betrieben und vor allem Weingärten, Weideflächen und Olivenhaine breiteten sich hinter der fernandinischen Stadtmauer aus.
Noch heute erinnern Straßennamen wie Rua da Vinha (dt.: Weinbergstraße), Rua do Loreiro (dt.: Lorbeerstraße), Rua do Carvalho (dt.: Eichenstraße) oder Rua da Horta (dt.: Gemüsegartenstraße) an diese Vergangenheit.

Damals gehörten die Ländereien dem jüdischen Chirurgen und Astrologen Abraão Guedelha Palaçano, der im 15. Jahrh. im Dienste der portugiesischen Könige Duarte I und Afonso V stand.
Als unter König Manuel I die Judenverfolgungen einsetzten, verkaufte die Witwe Guedelhas den außerhalb der Stadtmauern liegenden Besitz an die zwei Edelleute Filipe Gonçalves und Luis Atouguia, deren Erben 1513 mit seiner Erschließung und Parzellierung der Gegend begannen.
Diese Parzellierung erfolgte, dies ist urkundlich belegt, am 15. Dezember 1513!
So wurde das Bairro Alto, deren erster Name eigentlich Vila Nova de Andrade war, mit seinen fast rechtwinkeligen Gassen und Straßen zum ersten Beispiel einer planmäßigen Urbanisierung in der Geschichte Lissabons.
Einem zeitgenössischen Bericht aus dem Jahre 1527 nach, standen in dem neuen Viertel, gerade mal 14 Jahre nach seiner Gründung, schon bereits 408 Gebäude und ca. 1000 Menschen lebten hier.

Als sich im Jahre 1553 die Jesuiten am Rande des Viertels niederließen und mit dem Bau ihrer Prunkkirche São Roque (port.: Igreja de São Roque) begannen, kam das Bairro Alto so richtig in Mode.
In unmittelbarer Nähe der Kirche ließen sich damals viele adelige Familien und reiche Kaufleute ihre Stadtpalais und eleganten Häuser errichten.

Mit den Entdeckungsreisen der portugiesischen Seefahrer flossen ab dem 16. Jahrh. aus Indien, Afrika und Brasilien ungeahnte Reichtümer nach Portugal und ließen so das Handwerk und den Handel in Lissabon florieren.
Dafür brauchte man in der Stadt unbedingt neue Geschäftsviertel, zumal Lissabon nach zwei großen Erdbeben so schwer beschädigt worden war, das man zusätzlich neunen Wohnraum benötigte.
Also ließen sich damals wie heute im Bairro Alto viele kleine Handwerker, Sattler, Möbeltischler, Schuster, Barbiere, Bader und Kupferschmiede nieder und auch Bäcker, Metzger, Trödler, Krämer Drucker und Gemüsehändler eröffneten hier ihre Läden.

Das Bairro Alto wurde mit den Jahren zu dem geschäftigsten Stadtteile Lissabons und sein Auftrieb war so bedeutend, das im Jahre 1742 König João V dem Viertel sogar einen autonomen Status einräumte.
Mit diesem autonomen Status sollte die Wirtschaft weiter gestärkt werden, aber auch die steigende Kriminalität und die Prostitution im Viertel sollten leichter kontrolliert und bekämpft werden.

Im Bairro Alto wurde 1759 die erste „grüne“ Verordnung Portugals erlassen. Damals war das Viertel so dicht bevölkert, das es zunehmend Probleme mit der Müllbeseitigung gab. Und so wurde damals per Gesetz erlassen, dass die Bewohner des Viertels keine Esel und Pferde mehr halten durften und auch das Beschmutzen der Straßen mit Unrat und Abfällen wurde ihnen bei Strafe verboten.
Verboten wurde ihnen auch der Bau von Holzhütten, da diese das Bild des Bairro Alto „störten“, wie es damals hieß.

Ende des 18. Jahrh., das Bairro Alto hatte das große Lissabonner Erdbeben vom 01. November 1755 ziemlich unbeschadet überstanden, siedelten sich hier viele Druckereien, Verlage und
Zeitungshäuser an.
Die beiden Straßennamen Rua do Século, benannt nach der nicht mehr existierenden Zeitung „O Século“, und Rua do Diário de Noticias, benannt nach der heute noch erscheinenden Tageszeitung „Diário de Noticias“, zeugen davon.
Die Zeitungsverlage mussten dann, in Folge der Industrialisierung, mit den Jahren aus dem Viertel wegziehen.

Nur die Antiquitätengeschäfte, die Boutiquen, die Restaurants, die Fadolokale und die vielen Bars sind dem Bairro Alto geblieben.
Sie geben noch heute diesem Lissabonner Stadtviertel, das jeden Einwohner und Besucher die verschiedenen Facetten seiner Welt im Kleinen spüren lässt, etwas ganz besonderes.
Und auch die Probleme mit denen sich das Bairro Alto und die Lisabonner Stadtverwaltung heute herumschlagen müssen, wie die steigende Prostitution, die Drogen, das verbotene Glücksspiel oder die bedenkenlose Ausbeutung der Untermieter, werden daran nichts ändern.
Das Bairro Alto wird sich immer wieder neu erfinden und überleben – bestimmt noch die nächsten 500 Jahre.

Happy Birthday Bairro Alto!

1 Kommentar:

  1. Danke, für diese vielen tollen Infos. Soviel stand damals im Reiseführer nicht drin :-)

    Liebste Grüße zu dir :-)

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