Sonntag, 30. Oktober 2011

Alentejo






Gestern war ich im Alentejo.
Immer, wenn ich kann, statte ich dieser südportugiesischen Provinz einen Besuch ab.
Mit Freunden aus der Deutschen Evangelischen Kirche zu Lissabon machte ich gestern einen Gemeindeausflug in den Süden.
Mit dem Bus ging es über Évora nach Portel und Alvito, eine Gegend im Alentejo die ich noch nicht kannte.
Portugal mag flächenmäßig eine kleine Nation sein, aber der Alentejo ist groß – sehr groß!

Der Alentejo erstreckt sich über das endlos scheinende Tafelland des Tejo im Norden bis zur Algarve im Süden und reicht von der portugiesisch-spanischen Grenze im Osten bis zum Atlantischen Ozean im Westen.
Der Begriff, und somit auch der Name „Alentejo“, wird im Deutschen wörtlich mit „jenseits des Tejo“ (port.: „alem Tejo“) übersetzt.
Die Bezeichnung beruht auf der Tatsache, dass die Landschaft am Südufer des Tejo, also „jenseits des Tejo“, liegt.

Die Provinz Alentejo wird in zwei historische Gebiete unterteilt.
Einmal in den nördlich gelegenen „Alto Alentejo“ (dt.. Oberer Alentejo), mit seiner Provinzhauptstadt Évora und dann in den südlicher gelegenen „Baixo Alentejo“ (dt.: Unterer Alentejo“), mit der Provinzhauptstadt Beja.
Aus diesen zwei historischen Provinzen bilden sich heute die drei portugiesischen Distrikte Évora, Beja und Portalegre, sowie, aus einem Teil, auch der Distrikt Setúbal.

Die kaum gegliederte, ebene und karge Landschaft des Alentejo erinnert, bis auf die hohen Temperaturen die hier meistens herrschen, an nördliche Breiten. Sie steht im eigenartigen Gegensatz zu den anderen, meist gebirgigen und üppig bewachsenen, Provinzen Portugals.

Im Alentejo gibt es ein altes Sprichwort, das da lautet:
„O Alentejo, são três meses de inverno e nove meses de inferno“, was übersetzt so viel heißt wie:
„Der Alentejo, das sind drei Monate Winter und neun Monate Hölle“.
Dieses Sprichwort drückt, mit wenigen Worten, alles das aus, was es über das Klima im Alentejo zu sagen gibt, nämlich das die langen Sommermonate im Alentejo fast immer unerträglich heiß und dürr sind und das die kurze Winterzeit extrem kalt und unangenehm nass sein kann.

Diesen klimatischen Verhältnissen entsprechend, ist die Vegetation auf anspruchslose und immergrüne Pflanzen, Bäume und Hartlaubgewächse beschränkt.
Der Baumbestand an sich ist minimal, und so etwas wie einen Wald sucht man im Alentejo vergebens. Höchstens vereinzelte kleine Baumgruppen, vor allen Dingen Eichen, können ab und zu Mal auftreten.

Wenn ich hier schon über den Alentejo schreibe, so muss ich auch die Bevölkerung dieser Provinz erwähnen.
Der „Alentejano“ ist in ganz Portugal als gutmütiger, gastfreundlicher und ehrlicher Mensch bekannt. Er hat den Ruf nicht übermäßig intelligent zu sein, aber doch sehr wohl eine gewisse Fuchsschläue zu besitzen.
Es gibt tausende Witze die auf Kosten der „Alentejanos“ gemacht werden. Man kann sagen, dass der Bürger des Alentejo für uns Portugiesen hier die gleiche Rolle übernimmt wie in Deutschland die Ostfriesen.

Mit etwas über 500.000 Einwohnern, das sind knapp 5% der Gesamtbevölkerung Portugals auf gut einem Drittel der Gesamtfläche des Landes, ist der Alentejo sehr dünn besiedelt.
Die Bevölkerung konzentriert sich in wenigen kleineren Städten und in etwas größeren Dörfern und ein großer Teil lebt auf dem platten Land als Viehbauer und Korkeichenbesitzer.
Die größten Städte des Alentejo sind Évora mit etwa 50.000 Einwohnern, Beja mit 26.000, Portalegre mit 18.000 und Sines und Montemor-o-Novo mit jeweils etwa 15.000 Einwohnern.

Doch auch wenn die Gegend sehr ländlich und landwirtschaftlich geprägt ist, handelt es sich beim Alentejo um ein uraltes Kulturgebiet.
Schon in der Steinzeit war die Provinz besiedelt, wie alte Dolmen und Menhire im Alto Alentejo bezeugen. Und auch die Lusitanier und Westgoten hinterließen hier ihre Spuren, ebenso wie die Römer und später die Mauren.

Alle diese Kulturen haben sich gerne hier in dieser Ecke Portugals aufgehalten.
Doch keine von ihnen hatte es leicht hier im Alentejo. Denn alle kämpften sie mit einem elementaren Problem:
der ständigen Wasserknappheit.
Erst in unserer heutigen Zeit ist es gelungen die Wasserarmut in dieser Region einigermaßen zu beheben.

Wasser ist für die Agrarprovinz Alentejo von ungeheuerlicher Bedeutung. Deshalb hat man in den letzten Jahren die größten Flussläufe, wie den Tejo, den Guadiana und den Chança, durch mehrere Talsperren gestaut und so deren Wasser in einem dichten Kanalnetz mittels Pumpen auf das Binnenland verteilt.
Eines dieser Wasserreservoirs ist der große Alquevasee (port.: Barragem de Alqueva), der seinen Namen dem kleinen Ort Alqueva verdankt, und der heute der größte künstliche Stausee Europas ist.

Obwohl mit einem Fünftel am portugiesischen Küstenland beteiligt, ist der Alentejo vollkommen auf das Binnenland ausgerichtet.
Diese Ausrichtung hat zur Folge, dass die endlosen breiten Strände menschenleer und kaum touristisch erschlossen sind.
Auch die Fischindustrie ist kaum erwähnenswert. Noch nicht einmal 1% der Fischereierträge Portugals stammt von hier.
Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass diese Küstenlandschaft Portugals größtes Küstenschutzgebiet beherbergt. Dieses 75.000 Hektar große Schutzgebiet reicht von der Stadtgrenze von Sines bis hin zur Grenze der Westalgarve.

Der Alentejo lebt praktisch nur von der Landwirtschaft. Trotz der großen Trockenheit liegt hier Portugals Kornkammer.
Neben den Getreidefeldern aus Weizen, Roggen und Mais prägen hier vor allem Olivenbäume und Korkeichen das Landschaftsbild.
Zu den Korkeichen sei noch zu sagen, dass sich hier im Alentejo, die weltweit größte Anbaufläche dieses Baumes befindet.

Die karge, aber dennoch wunderschöne Landschaft, und die liebenswürdigen Menschen die dieses Land bevölkern, machen aus dem Alentejo eines der schönsten und geschichtlich wertvollsten Gegenden Portugals.
Schon viele haben ein Loblied auf diese Landschaft gesungen. Und es ist tatsächlich nicht schwer, ins Schwärmen zu geraten, wenn man an die außerordentliche Gastfreundschaft, das gute Essen und die noch besseren Weinen denkt.
Am besten ist es, man entdeckt den Alentejo selber.
Man muss nur, aus Lissabon kommend, eine der beiden Brücken über dem Tejo überqueren um „jenseits des Tejo“, im Alentejo, zu sein!

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