Montag, 13. Juni 2011

Eselsohren: „Império à deriva“


Leider komme ich in letzter Zeit noch kaum zum lesen eines guten Buches.
Umso mehr habe ich mich gefreut, die letzten Tage genug Zeit gehabt zu haben, um wieder einmal etwas zu schmökern.

Ich bin heute mit dem Lesen des Buches „Império à deriva“ (dt.: „Verjagtes Imperium“ / engl.: „Empire Adrift“) zu Ende.
Ich hatte dieses Buch von Patrick Wilcken schon einmal, vor gut zwei oder drei Jahren, gelesen, aber jetzt gerne wieder zur Hand genommen.
In seinem Werk beschreibt Wilcken das Leben des Portugiesischen Königshauses im brasilianischen Rio de Janeiro zwischen den Jahren 1808 und 1821.

In diesen Jahren lebte die portugiesische Königsfamilie mit dem gesamten Hofstaat in Brasilien im Exil, nachdem sie vor den vandalisierenden und mordenden Truppen Napoleons aus Lissabon geflohen waren.
In dem Buch wird ausführlich erzählt, wie die königliche Familie die Jahre in Rio de Janeiro verbrachte und wie ihr Alltag, wenn man es so nennen darf, dort verbrachten.

Es war im Jahre 1807, die napoleonischen Truppen hatten bereits Spanien überrannt und machten sich nun daran Portugal zu erobern, als der Thronregent João, der seine geistig umnachtete Mutter Königin Maria I in den Amtsgeschäften vertrat, beschloss mit seiner ganzen Familie, seinem Hofstaat und der Regierung in die größte Kolonie Portugals, nämlich Brasilien, ins Exil zu gehen.

Zwar hatte er, der er mit der Seefahrt nichts am Hut hatte sondern eher große Banketts liebte, eine panische Angst vor einer Monate langen dauernden Schiffsreise auf dem Atlantik und vor dem was ihn in Lateinamerika erwartete, aber er sah in der Flucht nach Brasilien den einzigen Weg, nicht in die Fänge Napoleon Bonapartes zu geraten.

So stechen am 29. November 1807 schätzungsweise 10.000 Aristokraten, Minister, Kirchenmänner und Bedienstete in Richtung Rio de Janeiro in See.
An einem einzigen Tag wird der ganze Regierungsapparat einer Weltmacht „evakuiert“.
Am gleichen Tag erobern der verhasste französische General Jean-Andoche Junot und seine Männer, mit Hilfe spanischer Truppen, die portugiesische Stadt Lissabon, die ab diesem Tag, auf Befehl des Königs und seiner Regierung, offiziell nicht mehr die Hauptstadt des Landes ist.
Die Hauptstadt Portugals wird für die nächsten 13 Jahre, so lange dauert die französische Invasion in Portugal und das Exil des Königs in Brasilien, Rio de Janeiro sein.

Als die Königliche Flotte am 21. Januar 1808 in Rio de Janeiro anlandet, sehen die verdutzten Einwohner der Stadt wie der hohe Besuch aus Europa total verlaust, stinkend und zerlumpt von Bord geht.
So hatten sich die Untertanen ihrer Majestät Maria I ihre Königin und ihre Familie wahrlich nicht vorgestellt…
Sie sollten sich die nächsten 13 Jahre noch mehr wundern.

Aber die Flucht der königlichen Familie nach Brasilien war wohl auch der wichtigste Meilenstein in der Geschichte des jungen Brasiliens.
Von einem Tag auf den anderen bekam Brasilien, vor allem aber die Hauptstadt Rio de Janeiro, eine Infrastruktur und noch vieles mehr, wovon andere kolonialen Städte und Länder der damaligen Zeit nur Träumten.

Die Moderne, die Sprache, die Kultur und die Einheit Brasiliens nahmen damals, mit dem Aufenthalt des portugiesischen Hofes, ihren Anfang.

Dies erklärt auf beeindruckende und lesenswerte Art und Weise der junge Schriftsteller Patrick Wilcken in seinem hier erwähnten Buch.
Patrick Wilcken ist im australischen Sydney aufgewachsen, hat am renommierten Goldsmith College Anthropologie und am Institute of Latin American Studies in London studiert, bevor er bei Amnesty International arbeitete.
Im Jahre 2004 schreibt er sein Buch „Empire Adrift“, das dann im Jahre 2005 in der portugiesischen Übersetzung „Império à deriva“ in dem Verlag „Civilização Editora“ erscheint.

Leider ist mir nicht bekannt ob es dieses Buch auch in einer deutschen Übersetzung gibt.
Sollte dem so sein, so kann ich jedem die Lektüre des selbigen nur empfehlen, denn er wird ein Buch voller lesenswerten, interessanten, historischen und faktenreichen Geschichten lesen.

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