Freitag, 20. Mai 2011

Von Klischees und Populismus


Nun haben wir es hier in Portugal gewissermaßen amtlich, von höchster deutscher Stelle sozusagen, wer für die Euro-Krise in der EU verantwortlich ist:
Laut deutschem Bundeskanzleramt, sind wir faulen Südländer es nämlich selber, die viel zu viel Urlaub bekommen und vor allem viel zu früh in Rente gehen, während die arbeitsfreudigen Deutschen für halb Europa schuften, Rettungsschirme finanzieren und erst viel später in Rente gehen als wir.

Man könnte meinen, so aus ganz hohem berufenem Mund, nämlich aus dem der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, könnte das wirklich stimmen.
Aber es handelt sich bei den Worten von Merkel nur um populistisches und unangemessenes Gerede.

Auf einer CDU-Veranstaltung, im nordrhein-westfälischen Meschede, hatte nämlich die deutsche Bundeskanzlerin diese Woche doch tatsächlich über uns Südländer im Allgemeinen behauptet (und hier zitiere ich Frau Merkel wortwörtlich):

- „Natürlich wollen wir den Euro und natürlich wollen wir nicht, dass einer sozusagen Pleite macht und dann wir alle mitgezogen werden“.

- „Wir können nicht einfach solidarisch sein, und sagen, diese Länder sollen mal einfach so weitermachen wie bisher“.

- „Ja, Deutschland hilft, aber Deutschland hilft nur dann, wenn sich die anderen anstrengen. Und das muss nachgewiesen werden.“

Aber damit nicht genug!
Der Bundeskanzlerin sind auch die frühen Renten-Einstiegsalter sowie die angeblich vielen Urlaubstage in Portugal und Spanien ein Dorn im Auge.
Zu diesem Thema meinte sie:

- „Es geht auch darum, dass man in Ländern wie Griechenland, Spanien, Portugal nicht früher in Rente gehen kann als in Deutschland, sondern dass alle sich auch ein wenig gleich anstrengen - das ist wichtig.“

Vor dem Hintergrund der Heraufsetzung des Rentenalters in Deutschland auf 67 Jahre und nur 20 Tagen gesetzlichen Mindesturlaub, sagte Merkel:

- „Wir können nicht eine Währung haben und der eine kriegt ganz viel Urlaub und der andere ganz wenig. Das geht auf Dauer auch nicht zusammen.“

So schwer attackiert und kritisiert zu werden, tut mir als Portugiesen weh!
Als fauler und betrügerischer Bürger der EU dargestellt zu werden ist für mich in höchstem Maße unerträglich, zumal die Wahrheit ganz anders aussieht!

Ich habe mir mal die Mühe gemacht (vielleicht hätte sich die deutsche Bundeskanzlerin auch diese Mühe machen sollen!) und im Internet einen Statistikbericht der OECD zu diesem Thema gesucht und auch gefunden.
Dieser Bericht ist sehr aktuell, denn er ist erst knappe zwei Monate alt, nämlich vom 17. März 2011!
In ihm wird, unter anderem, das Rentenalter in Frankreich mit durchschnittlich 62 Jahren angegeben, in Deutschland mit durchschnittlich 62,2 Jahren und für Portugal wird das Rentenalter mit durchschnittlich 65 Jahren angegeben!

So arbeiten die Deutschen im Jahr durchschnittlich 1390 Stunden, die Spanier durchschnittlich 1654 Stunden, wir Portugiesen bringen es auf jährlich durchschnittlich 1710 Stunden und die Griechen
Arbeiten durchschnittlich sogar 2119 Stunden jährlich.
Die meisten Portugiesen müssen hier in der Zwischenzeit sogar einem Zweitjob nachgehen, arbeiten 18 Stunden am Tag und das sechs Tage die Woche, und viele erwägen nun, angesichts der schweren wirtschaftlichen Lage in der wir uns befinden, sogar einem Drittjob nachzugehen.
Es wird also bei uns im Süden nicht weniger gearbeitet, sondern einfach weniger produziert!

Das Sparprogramm, das die portugiesische Regierung ihrer Bevölkerung in den nächsten Jahren zumuten wird, ist beispiellos.
Und nicht der Normalbürger ist an der finanziellen Misere schuld, sondern die habgierigen Banken und die korrupten, verschwenderischen Politiker, die uns regieren!

Auch was den Urlaub angeht, geht die Rechnung von Angela Merkel nicht auf.
Laut dem Statistikbericht der OECD haben in Deutschland z.B. Angestellte (dem Lebensalter entsprechend) und z.B. Arbeiter in der Autoindustrie bis zu sechs Wochen Urlaub, und das bei einer 35-Stunden-Woche.
Wir hier in Portugal können maximal von drei bis vier Wochen Jahresurlaub träumen, und arbeiten dafür durchschnittlich mindestens 40 Stunden die Woche.
Nicht umsonst werden die Deutschen „Urlaubsweltmeister“ genannt!

Diese populistischen und absurden Verallgemeinerungen der Kanzlerin, die sie diese Woche wieder einmal vom Stapel losgelassen hat, sind also äußerst verdreht dargestellt und falsch.

Es ist schon wahr, das die Griechen mit ihren – zugegebenen – Problemen uns langsam aber sicher gegen die Wand fahren.
Aber die Situation in Griechenland mit der in Portugal oder Spanien zu vergleichen zeugt von blamablen politischen Kenntnissen seitens der Bundeskanzlerin.

Aber diese Äußerungen der deutschen Bundeskanzlerin sind nicht
nur blamabel, sondern meiner Meinung nach, auch äußerst besorgniserregend, denn sie strotzen nur so vor Vorurteilen und Klischees.

Die wirtschaftlichen Probleme einzelner EU-Länder waren VOR der Wirtschaftskrise und VOR dem Beitritt einiger Staaten bekannt.
Die Bundeskanzlerin, und vor allem ihr Ziehvater Helmut Kohl, hätten damals intervenieren können.
Jetzt ist es zu spät!

Frau Merkel, deren Aufgabe es ist „Schaden vom Deutschen Volke abzuwenden“, hat sich selber mit ihren Bemerkungen diese Woche keinen Gefallen.
Im Gegenteil, sie hat allen bewiesen, das Dummheit ein wahrlich nachwachsender Rohstoff ist…

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