Dienstag, 26. Oktober 2010

Von Nonnen und Piraten






Bei meinem letzten Aufenthalt auf Madeira, vor einer Woche, hatte ich die Gelegenheit, die Insel wieder neu zu entdecken.
Ich habe einige Ausflüge gemacht, an Orte die ich noch nicht kannte.
Eines dieser Orte ist Curral das Freiras, ein Ort der nur knapp 20 km von Funchal entfernt ist, aber immerhin 1600 Höhenmeter Unterschied zur Hauptstadt, die am Meer liegt, hat!

In nordwestlicher Richtung, an Câmara de Lobos vorbei, verließ ich Funchal über eine kurvenreiche Straße die durch eine blumen- und waldreiche Berglandschaft aufwärts führte.
Nach gut 6 km kam ich am 355 m hohen Pico dos Barcelos an.
Von der in Blumen gebetteten und mit einem großen Steinkreuz ausgestatteten Aussichtsterrasse bot sich mir ein prächtiger Blick über die ganze Südküste von Madeira.

Von Pico de Barcelos ging es in Windungen und Kehrungen weiter bis zum 1026 m hohen Eira do Serrado (dt.: „Serrado-Sattel“) am Nordostrand des Pico Serrado (dt.: „Abgesägter Gipfel“) der 1115 m über den Meeresspiegel ragt.
Da schönes Wetter war, was zu dieser Jahreszeit wirklich nicht alltäglich sein soll, so sagte man mir, hatte ich einen traumhaften Ausblick über die höchsten Gipfel der Insel.
Den Pico Ruivo (dt.: „Roter Gipfel“), mit 1861 m der höchste Berg Madeiras, den 1810 m hohen Pico do Areeiro (dt.: „Sandgipfel“), im Osten den 1607 m hohen Pico Grande (dt.: „Großer Gipfel“) und im Westen den 1692 m hohen Pico do Jorge (dt.: „Georgsgipfel“).

Vom Eira do Serrado, also vom „Sattel“ aus, hat man einen grandiosen Blick, runter auf den Kraterkessel und die Ortschaft Curral das Freiras.
Curral das Freiras wird in vielen Reiseführern, auch in dem, den ich benutzte als ich den Ausflug machte, fälschlicherweise als „Nonnental“ bezeichnet. Die genaue Übersetztung von Curral das Freiras ist aber „Nonnenpferch“, vergleichbar mit einem Schweinepferch oder einem Rinderpferch.
Die religiös, sensibleren Leser meines Blogs mögen diesen, meinen Vergleich bitte entschuldigen, aber so ist nun einmal die genaue Übersetzung des Wortes „curral“ (laut dem neuen Langenscheidts Taschenwörterbuch ist ein „curral“ ein „Pferch“ oder „Stall“).
Aber wie kam dieser Ort zu seinem eigenartigen Namen?
Nun, dieses Tal ist eines der wenigen Orte auf Madeira, auf dem man Vieh in freier Natur weiden lassen kann, d.h. während wo anders auf der Insel das Vieh konsequent im Stall gehalten werden muss, ist es hier in diesem Tal möglich, das Vieh draußen weiden zu lassen. Da das Tal von hohen Bergen umgeben ist, bildet es einen natürlichen Pferch, aus dem das Vieh nie entfliehen kann. Da die Nonnen, wie schon erwähnt, als erste dieses Tal bevölkerten, blieb, bis heute, im Volksmund der Name „Nonnenpferch“.

Curral das Freiras ist nur über eine einzige Straße, die zum größten Teil untertunnelt ist und erst 1959 fertig gestellt wurde, erreichbar.
Bis 1959 war Curral das Freiras das abgeschiedenste Dorf Europas, und nur über zwei steile Wanderpfade erreichbar.

Gegründet wurde das Dorf, schon Mitte des 15. Jahrhundert, von Nonnen aus dem Santa-Clara-Kloster (port.: Convento de Santa Clára) in Funchal.
Die waren nämlich in Funchal regelmäßig Opfer von Piratenangriffen, und zu ihrem eigenen Schutz, beschlossen sie in die Abgeschiedenheit der Bergwelt zu ziehen. Hier blieben sie auch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.

Als sie wieder nach Funchal umzogen landeten kurze Zeit später napoleonische Truppen auf der Insel.
Nun die Truppen Napoleons waren zwar offiziell keine Piraten, aber sie plünderten, verfolgten und vergewaltigten genauso die Einwohner Madeiras, auch die Nonnen, und machten die Insel genauso unsicher, wie Jahrzehnte zuvor die Piraten.
Also zogen die Nonnen wieder in ihr abgeschiedenes Tal und retteten sich wieder einmal vor den Übergriffen der vermeintlich stärkeren.

Um diese kleine Nonnenansiedlung bildete sich dann mit den Jahren der Ort.
Heute leben etwa 1600 Menschen in Curral das Freiras, die hauptsächlich von der Landwirtschaft leben.
Hauptanbauprodukt ist die Esskastanie.
Kastanienbäume gibt es in diesem Tal sehr viele und die Früchte sind eines der wenigen Einnahmequellen des Ortes.
Sie werden kulinarisch in jeglicher Form verwendet, sei es für Suppen, Kuchen, Soßen oder zum herstellen von Schnäpsen und Likören.

An jedem 01. November findet in Curral das Freiras das Kastanienfest (port.: Festa da castanha) statt.
Ein guter Grund, sicherlich nicht der einzige, um diesen wunderschönen Ort zu besuchen!

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