Samstag, 24. April 2010

Nelkenrevolution



Wir schreiben das Jahr 1974.
Am frühen Morgen des 25. April, kurz nach Mitternacht, erklingt im portugiesischen Radiosender „Rádio Renascença“ das von der Diktatur bis dahin zensierte Lied „Grândola, Vila Morena“, des Sängers José Afonso.

Dieses einfache, aber vom Text her sehr ausdruckreiche Lied, ist das Startsignal für einen minutiös geplanten Aufstand, der Portugal von seiner damals verhassten faschistischen Diktatur befreien, und als die Nelkenrevolution (port.: Revolução dos Cravos) in die Geschichte eingehen wird.
Über 48 Jahre hinweg hatten die Diktatoren António de Oliveira Salazar und Marcelo Caetano mit strenger Hand über das Land und die Kolonien geherrscht.
Diese Herrschaft endete nun am 25. April, mit besagter unblutigen Nelkenrevolution.

April ist die Zeit der Nelken.
An diesem 25. April wird diese unscheinbare Blume, die ich abschätzig „Friedhofskraut“ nenne, weil ich einfach keine Nelken mag, zum Symbol der friedlichen Revolution.
Inspiriert von der „flower power“ schmückten damals die Studenten und die Arbeiter, die Hausfrauen und selbst Kinder, die Panzer mit den Nelken und stecken sie in die Gewehrläufe der Soldaten.

Als am späten Nachmittag über das Radio die Nachricht verbreitet wurde, das der Diktator Marcelo Caetano sich der MFA (port.: Movimento das Forças Armadas / dt.: Bewegung der Streitkräfte) ergeben und die Macht an General António Sebastião Ribeiro de Spinola übergeben hatte, setzt ein stundenlanger Hupkonzert ein und lockte auch die letzten Zweifler aus ihren Häusern zum Rossio und in die Baixa.
Von diesem Hupkonzert hat mir meine Großmutter Sara später noch oft erzählt.

Ich selber, der ich zu dieser Zeit schon mit meinen Eltern und meiner Schwester in Deutschland lebte, erlebte diesen Morgen in der Wilhelm-Busch-Grundschule in Arheilgen.
Ich weiß noch, als ob es erst gestern gewesen wäre, wie damals meine Grundschullehrerin Frau Koppe auf dem Schulhof auf mich zukam, und mich fragte wie es mir gehen würde, und ob ich wüsste wie es meiner Familie gehen würde.
Als achtjähriges Kind hatte ich damals keine Ahnung von Politik, und auch keine Ahnung was meine Lehrerin eigentlich von mir wollte und erst recht wusste ich nicht, was sich in diesen Stunden in meinem Heimatland abspielte.
Aber selbst als kleines Kind begriff ich, es musste etwas „weltbewegendes“ passiert sein in dem Land das ich damals unter Protest verlassen hatte und welches meine Eltern Portugal nannten.

Für mich als Kind änderte sich damals nichts im Leben.
Aber heute, 36 Jahre später, weiß ich sehr wohl, das an diesem Tag, Werte wie die Meinungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und die Gleichberechtigung in Portugal, ihre Geburtsstunde hatten.

Dennoch gibt es noch heute einige die sich die „Diktatur der Ordnung“ zurückwünschen. Man kann zu den Diktatoren Salazar und Caetano stehen wie man will.
Aber eines muss auch diesen ewig Gestrigen klar sein:
Unter einer faschistischen Diktatur, wie es sie fast 50 Jahre lang in Portugal gegeben hat, wären die Gedanken niemals frei und Portugal nichts weiter als ein riesiges Gefängnis!

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