Samstag, 20. Juni 2009

Könige ohne Krone




Wer jemals im Königspalast von Ajuda in Lissabon, dem Herzogspalast in Vila Viçosa oder in der Bildergalerie des Kutschenmuseums in Belém zu Besuch war, und sich dort die Porträts der Könige aus dem Hause Bragança angeschaut hat, dem ist bestimmt aufgefallen, das die Könige und Königinnen auf den Gemälden immer ohne aufgesetzter Krone abgebildet sind.
Die Krone ist zwar abgebildet, wird aber immer auf einem Kissen liegend, auf einem Tisch oder einem Podest liegend, dargestellt.

Warum ist das so?
Warum wurden die Könige von Portugal, von 1640 bis 1910, immer ohne Krone auf dem Haupt dargestellt?
Nun, um eine Antwort darauf zu finden, müssen wir knapp 370 Jahre in die Geschichte zurückreisen.

Damals, im Mittelalter war in ganz Europa der Heilig-Geist-Brauch (Espirito Santo) verbreitet. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde dieser Brauch auch in ganz Portugal äußerst populär.
Da die Menschen zu dieser Zeit äußerst gläubig waren, suchten sie ihr Seelenheil in diesem Brauch, immer wenn ein Unglück das Königreich traf, wie zerstörerische Erdbeben, tödliche Seuchen und verheerende Missernten.
Dann, 1578, traf die Nation ein Unheil, das noch heute von vielen Portugiesen als das größte ihrer Geschichte betrachtet wird:
der junge König Sebastião kam von einem Kreuzzug aus dem Norden Afrikas nicht zurück. Er wurde in der Schlacht von Alcazar-El-Kebir, im heutigen Marokko, vernichtend geschlagen. Das war nicht nur das Ende von König Sebastião, sonder für 60 Jahre auch das Ende der portugiesischen Nation. Denn Sebastião hinterließ keinen Erben, und so blieb der Thron vakant.
Das führte dazu, das nach einem zweijährigen Krieg, sich 1580 der spanische König Phillip II die portugiesische Krone aufsetzte.

Aus dem Land der Seefahrer und Entdecker wurde nun eine spanische Provinz.
Noch schlimmer, aus Portugal wurde nun eine ungeliebte spanische Kolonie.
Bis 1640 sollten nun die Spanier über das besetzte Portugal diktatorisch herrschen.
In diesen 60 Jahren Fremdherrschaft erreichte der Heilig-Geist-Brauch seinen Höhepunkt, und das primäre Zeichen dieses Brauches, eine Krone, setzte man der Schutzpatronin Portugals, der Jungfrau Nossa Senhora da Conceição, auf.
Viele mögen darin heute nur einen religiösen Akt sehen. Aber in Wirklichkeit war das damals die einzige Möglichkeit die Portugal besaß um Spanien den Gehorsam zu verweigern. König Phillip, als gläubiger Katholik, wagte es damals nicht eine religiöse Figur, wie die Jungfrau Nossa Senhora da Conceição, anzurühren (über die spanische Gewaltherrschaft in Portugal, werde ich in einem späteren post noch genauer schreiben).

Als Portugal 1640 wieder unabhängig wurde, konnte und wollte sich der neue König von Portugal, João IV aus dem Hause Bragança, nicht die Krone aufsetzen. Für ihn kam dass einer Gotteslästerung gleich.
Bei einer feierlichen Zeremonie 1644, bei der er der Statue der Jungfrau die Krone aufsetzte, bestimmte er in einem Dekret, für sich und seine Nachfolger, dass ab diesem Tag nur die Jungfrau Nossa Senhora da Conceição in Portugal das Anrecht darauf hatte, die Krone zu tragen. Und so blieb es dann auch!

Obwohl der Heilig-Geist-Brauch mit der Zeit in Portugal, und auch im restlichen Europa, verebbte – nur auf den Azoren blieb er bis heute lebendig und wird auch dort sehr groß gefeiert – setzten sich die portugiesischen Könige nie wieder die Krone auf.

Dies kann man, wie von mir schon Anfangs erwähnt, auf den zahlreichen Gemälden und Statuen der Könige und Königinnen, die nach 1640 in Portugal regierten, noch heute sehen.

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