Montag, 15. Juni 2009

Kindheitserinnerungen




Heute bin ich, nach meinem Gang zum Bäcker, ungewollt in Erinnerungen geschwelgt.
Ungewollt, weil ich über Dinge nachgedacht habe, über die ich schon seit Jahren nicht gedacht habe.
Ich weiß nicht ob der Leser dieses Blogs dies nachvollziehen kann, wie das ist, wenn man plötzlich an Dinge und Sachen denkt, die einem für Jahre, manchmal sogar für Jahrzehnte, im Gedächtnis oder im Herzen verschollen waren, und dann plötzlich und unerwartet einfach hochkommen.

Ich habe heute in der Bäckerei Rolo II, in der wir immer unser Brot holen, und in der ich und meine Liebsten auch gerne mal unser Frühstück oder unseren Kaffee zu uns nehmen, die Brötchen holen müssen. Aber ich musste warten bis sie aus dem Ofen kamen, denn sie waren noch nicht fertig gebacken.
Und beim warten bin ich, wie gesagt, in alten Erinnerungen geschwelgt.

Ich muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, da wohnte ich mit meinen Eltern in der Serra da Luz, unweit von Pontinha, in der Nähe von Benfica in Lissabon.
Ich kann mich erinnern, wie meine Mutter damals jeden Abend einen Stoffsack, den „Saco do Pão “, draußen an die Türklinke hing, und morgens waren in dem Stoffsack frische, knackige, meistens sogar noch warme Brötchen drinnen, die der Bäcker in seinem großen Weidekorb transportierte und durch die ganzen Haushalte verteilte.
Heute weiß ich, dass meine Mutter in dem Stoffsack (ein Stoffsack der extra für diesen Zweck hier in Portugal erfunden und kommerzialisiert wurde und der in keinem Haushalt fehlen durfte. Die meistens waren weißbunt und manche waren sogar liebevoll von jungen Mädchen bestickt und dienten dann als Teil der Aussteuer) einen Zettel mit einer Nummer hinterließ, der die Anzahl der Brötchen anzeigte, die sie vom Bäcker haben wollte.
Wenn also auf dem Zettel eine 10 stand, dann wusste der Bäcker, dass er 10 Brötchen in den Sack reingeben musste. Stand auf dem Zettel eine 7, dann legte er 7 Brötchen in den Sack hinein, bei einer 12 füllte er den Stoffsack mit 12 Brötchen, usw. Abgerechnet wurde dann am Monatsende.
So einfach war das!

Mit der Milch war es ähnlich. Die gab es damals, als ich ein Kleinkind war, nicht aus der Milchtüte im Supermarkt so wie heute, nein! Die Milch holte ich mit einer „Vasilha“, einer aus Aluminium bestehenden Milchkanne mit Deckel, direkt bei der Bäuerin.

Mit der Milchkanne in der Hand, ging ich auf den Bauernhof, der genau an unserem Haus angrenzte, und holte mir dort bei der Bäuerin Dona Josefina die frische Milch, direkt von der Kuh, und brachte die Milchkanne vorsichtig nach hause, denn meine Mutter konnte es nicht haben, wenn ich unterwegs die halbe Milch verschüttete, was, soweit ich mich zurückerinnern kann, mehrmals passierte.
Zuhause musste meine Mutter die Milch noch aufkochen, um, wie sie sagte, die ganzen „bichinhos“ (bichinhos heißt so viel wie „Tierchen“, gemeint sind aber die Mikroben) abzutöten, und dann wurde die Milch genussvoll getrunken.

Wieso ich ausgerechnet heute beim Bäcker im Rolo II an diese Kindheitserinnerungen denken musste, weiß ich nicht genau.
Aber ich weiß, dass solch eine Zeit nie wieder kommen wird, und das macht mich schon sehr traurig.
Mir ist schon klar, dass wir den Fortschritt nicht aufhalten können, und ich bin sehr wohl progressiv. Aber ich weiß gleichzeitig auch nicht, ob es ein Fortschritt ist, wenn Kinder heute glauben die Milch und die Eier kommen aus dem Supermarkt und alle Kühe wären lila…

Wenigstens bleiben mir die Kindheitserinnerungen; die kann mir nämlich keiner nehmen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen