Montag, 8. Juni 2009

Andere Länder – andere Anschriften


Wer schon mal hier in Portugal zu Besuch war, dem ist vielleicht aufgefallen, dass sich an keiner Haustür, keiner Klingel und an keinem Briefkasten die Namen der Bewohner oder der Firmen befinden.

Meiner guten Freundin Sabine, die mich mal vor Jahren mit ihrem Mann Marcel hier in Lissabon zum ersten Mal besucht hat, ist dies sofort aufgefallen.
Sie fragte mich dann auch, wie denn der Briefträger den richtigen Briefkasten finden würde, wenn an keinem der besagten Briefkästen auch nur ansatzweise eine Identifikation zu finden war.

Nun, er findet den richtigen Briefkasten, weil wir hier in Portugal ein besonderes Adressensystem haben.
Tatsächlich werden hierzulande Wohnungen, Häuser und manchmal sogar Firmen, Anwaltbüros und Arztpraxen sehr anonym gehalten. Um ein totales Chaos zu verhindern, muss man also nicht nur die Hausnummer wissen, sondern auch in welchem Stock und auf welcher Seite der/die Gesuchte wohnt, wobei direito (rechts), esquerdo (links) bedeutet, und zwar so gesehen, wie man die Treppe in dem Gebäude hinaufkommt. Das Erdgeschoss wird mit r/c (rés-do-chão) angezeigt.
Ein Beispiel: da ich in der Hausnummer 18, im 4. Stockwerk und auf der linken Seite wohne, lautet meine Adresse also
Estrada XXXXXXX n. 18, 4. esquerdo.
Mit diesem System kommt die Post sogar dann an, selbst wenn man den Namen der Person nicht angibt!

Aber warum werden in Portugal die Briefkästen, Haustüren und die Klingeln nicht mit den Namen der Bewohner versehen?
Nun, das ist einfach zu erklären.
Es gab mal eine Zeit, und zwar im letzten Jahrhundert, da herrschte in Portugal eine faschistische Diktatur. Und in der gab es auch eine Geheimpolizei, die es sich zur Aufgabe machte, genau wie in jedem anderen diktatorischen System auf der Welt, die Leute mehr oder weniger zu Schikanieren. Um nun der PIDE (Policia Internacional da Defesa do Estado = Internationale Polizei zur Verteidigung des Staates), so hieß die Geheimpolizei, das Schikanieren so schwer wie nur möglich zu machen, und um eine gewisse Anonymität zu erreichen, setzte sich dieses Adressensystem mit der Zeit durch.
Obwohl Portugal heute eine gefestigte Demokratie ist, und es wirklich nicht mehr dieser Anonymität bedarf, käme es nur wenigen Portugiesen in den Sinn, dieses Adressensystem zu ändern. Vielleicht aus purer Gewohnheit…

Ein anderer Anachronismus aus den Zeiten der Diktatur, ist es, dass sich heute noch, wenn bei einem Portugiesen das Telefon oder das Handy klingelt, er immer das Gespräch mit einem „ESTOU“ entgegennimmt. „Estou“ heißt nichts weiter als: „hier bin ich“. Niemals würde es einem Portugiesen einfallen sich mit seinem Vor- oder Nachnamen zu melden wenn das Telefon klingelt, so wie in Deutschland üblich.
Obwohl, einem Portugiesen zumindest, nämlich mir, ist es eingefallen.

Als ich nämlich damals aus Deutschland nach Portugal kam, und mir ein Handy zulegte, habe ich mich die erste Zeit noch mit „Paulo Alves“ gemeldet, so wie ich es aus Deutschland gewohnt war. Doch nachdem die meisten dann auflegten, weil sie meinten sie wären bei einer ominösen Vereinigung gelandet, oder mich schockiert fragten, wie ich denn meinen Name freiwillig „outen“ könne, habe ich diese Angewohnheit schnell wieder sein lassen, und mich seitdem wieder mit „estou“ gemeldet.
Denn so eingebildet bin ich dann doch nicht, das ich glauben würde, ich könnte ein System ändern, das sogar eine Diktatur überlebt hat!

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